Die Samen in der Literatur

Die Samen in der Literatur  


Bereits kurz nach dem Beginn unserer Zeitrechnung erwähnt der römische Geschichtsschreiber Tacitus die Fenni und seine Schilderungen deuten darauf hin, dass er über die Samen schreibt. Mittelalterliche Geistliche wie z. B. Adam von Bremen, Saxo Grammaticus oder Olaus Magnus hinterließen Berichte und auch in den Sagas spielen sie eine Rolle.1 Snorres Darstellung eines Samen: „Han var svært liten og raskare til beins enn nokon, slik at det var ingen hest som tok han på spranget. Han var ein meister på ski og med boge.“(2) findet sich so oder ähnlich in verschiedenen Texten über mehrere Jahrhunderte hinweg. Ein weiteres mächtiges Stereotyp ist der Gebrauch von Magie.(3) Else Mundal geht unter anderem der Frage nach, wie klar die Grenze zwischen den ethnischen Gruppen war und stellt fest, dass es bereits damals Samen mit festem Wohnsitz gab, die durchaus wie Norweger unter Norwegern gelebt haben könnten und dass die Heirat zwischen Norwegern und Samen nicht ungewöhnlich war.(4) Es werde auch so gut wie nie von Konflikten zwischen den beiden Volksgruppen berichtet und es deute einiges darauf hin, dass die Samen durchaus Respekt genossen.(5)Auf jeden Falle gehe aus den altnordischen Texten hervor, dass es ein klares Bewusstsein dafür gab, dass man sich das Land mit einem anderen Volk teilte.
Die Verlässlichkeit der Quellen ist von unterschiedlicher Qualität, es wurde viel voneinander abgeschrieben und selten aus eigener Anschauung berichtet. Manche Mythen wurden so lange wiederholt, dass sie schließlich als historische Wahrheit galten.(6) Dies änderte sich um 1700, als die Erforschung des Nordens aus verschiedenen Gründen (Missionierung, verstärkte Kolonisierung, Erforschung unbekannter Gebiete) zunehmend interessanter wurde und auch Forscher unterschiedlicher Wissenschaftszweige anzog. Hans Lindkjølen hat diese Literatur, bei der es sich der Zeit entsprechend meist um Textsorten wie Missionsliteratur und Reiseberichte handelt, untersucht. Er weist darauf hin, dass mit dem Durchbruch der Romantik in Europa das Interesse für Folklore und „primitive“ Kulturformen stieg und die oft sehr exotischen Berichte abenteuerlustiger Reisender mit großem Interesse gelesen wurden.
Beinahe einhellig wird die Kleinwüchsigkeit der Samen und ihre Liebe zu Branntwein beschrieben. Auch das Ausüben von Zauberei fehlt in kaum einer Beschreibung. Sie seien einfältig, aber gute Händler, stellt Johannes Bilberg fest.(7) Hans Friis beschreibt sie als weichherzig und ängstlich.(8) Olof Rudbeck betont den raschen, eleganten Gang und ihr gutes  Aussehen.(9) Carl von Linné stellt fest, „at de „lappene“ som holder til på fjellet er muntre og reine i ansiktet, mens de som bor i skogene er triste og olme.”(10) Auch Ernst Moritz Arndt bereiste Schweden und bewunderte einerseits die Schnelligkeit und Behändigkeit der Samen, stellte aber gleichzeitig ihre mangelnde Körperkraft und Ausdauer fest, es fallen Attribute wie hilflos, steif, düster, melancholisch und schwach, dann wird wieder ihre stille, bescheidene, gastfreundliche und hilfsbereite Art betont.(11) Auch er unterscheidet, wie Linné, zwischen den Fjälllappen und den Wald- und Fischlappen.(12)
Als ein großer Kenner samischer Kultur erweist sich J. A. Friis. Angeregt durch den Missionar N. V. Stockfleth lernte er die Sprache der Samen und Kvenen, erhält 1874 eine Professur und veröffentlicht Grammatiken und Wörterbücher. Er beschäftigt sich mit ihrer Religion, sammelt samische Märchen und Sagen und veröffentlicht Reiseberichte, belletristische Arbeiten und Zeitungsartikel, die die Kultur der Samen zum Thema haben.
Hans Lindkjölen hat sich eingehend mit dem Leben und Werk von J. A. Friis beschäftigt. In dem Kapitel: ”Samene i litteraturen” weist er nach, dass zu dieser Zeit die Auffassung von den Samen als einer tieferstehenden Rasse allgemein vertreten wurde. Aber auch innerhalb der samischen Gesellschaft wird unterschieden: „Rikdom og stolthet preger altså gjennomgående nomadene, mens fattigdom og fornedrelse preger de fastboende samene.” (Lindkjølen 1983:20) J. A. Friis ist derjenige, der die Debatte über samische Probleme wie den Sprachstreit, fehlende Ausbildungsmöglichkeiten, den Kampf um Weideland, Geringschätzung ihrer Kultur und die daraus folgende Diskrimminierung in die Öffentlichkeit trägt. Dabei bezieht er eine prosamische Haltung. Allerdings bemerkt Lindkjölen in Bezug auf die ”Laila-Bücher”: „På vesentlige punkter bruker Friis samme karakteristikk av samene som de fleste forfattere i hans samtid, f.eks. samen som barn og samen som dyr.” [...] ... nordmennene kommer fordelaktigst ut og trer fram som den herskende rase.”
All diese Beispiele beschreiben ausschließlich den Blick von außen. Die Samen selbst haben erst spät begonnen, zu schreiben. 1904 erschien mit „Kong Akab og Naboths vingaard“ der erste samische Roman. Matti Aikio, der mit seiner samischen Herkunft haderte, schrieb ihn allerdings auf norwegisch. Anders Larsen gab 1912 mit Bæivve-Alggo (Daggry) den ersten samischsprachigen Roman heraus und drei Jahre später erschien die Gedichte- und Novellensammlung Muohtačalmmit (Snøfnugg) von Pedar Jalvi.(13) Eines der bekanntesten Bücher ist die 1910 erschienene „Muittalus samid birra“ von Johan Turi, welches mehrfach übersetzt wurde(14) und auch andere Samen zum Schreiben inspirierte.(15) Knut Hamsun lobte dieses Buch. Sein eigenes Verhältnis zur samischen Bevölkerung war allerdings geprägt vom Zeitgeist(16), da kommt es vor, dass er die Samen (wie z. B. in der Wanderertriologie) als Menschengrütze bezeichnet. Kristin Jernsletten stellt jedoch in Bezug auf seinen Roman Markens grøde fest: „Selv om samene beskrives negativt i Markens grøde er de der, nærmest som et underkjent element; de står for mørke og ulykke, en slags naturkraft.”(17) Das die Samen überhaupt in der Literatur dieser Zeit vorkamen, sei ungewöhnlich: ”Hamsun inkluderer samer i sin litteratur, noe han er ganske alene om å gjøre i norsk nasjonsbyggende litteratur:”(18) Zu den wenigen anderen gehört Jonas Lie. Seine samischen Figuren unterscheiden sich deutlich von der Hamsuns durch eine deutlich symphatischere Darstellung.
Nachdem das 20. Jh. zwar vielversprechend für die samische Literatur begann, kam der große Durchbruch erst Anfang der 70er Jahre, stellt Hirvonen fest. Grund dafür sei das weltweite Aufbegehren von Minderheiten, im Zuge dessen auch die Samen stärker als zuvor politische und ökonomische Rechte forderten, wie auch das Recht, in Schule und Studium die eigene Sprache nutzen zu können. Die Förderung samischer Literatur verbesserte die Produktions- und Publikationsmöglichkeiten und zusammen mit einer zunehmenden Nachfrage konnten sich eine Reihe samischer Schriftsteller etablieren. Während die Autoren der 70er und 80er noch die schmerzlichen Erfahrungen der norwegischen Assimilierungsbemühungen verarbeiteten, richtet sich der Blick der Gegenwartsautoren eher auf das eigene Ich und die nähere Umgebung. Zusammenfassend stellt Hirvonen fest, dass die sehr junge samische Literatur sich in relativ kurzer Zeit zu einer vielfältigen und zentralen Kunstform entwickelte. 


  2)Dörner, Andreas u. Ludgera Vogt: Kultursoziologie (Bourdieu - - Mentalitätengeschichte - Zivilisationstheorie). In: Neue Literaturtheorien. Eine Einführung. Hrsg. v. Klaus-Michael Bogdal. Opladen 1990, zitiert nach: www.tour-literatur.de/literaturtheorie/bourdieu-kultursoziol.htm
 3)Else Mundal erwähnt u. a. die Sagas über Halvdan Svarte, Olaf den Heiligen oder Harald Hårfagre in der Heimskringla, aber auch in der Eddadichtung oder in Gesetzestexten werden Samen erwähnt. (In ”Kva fortel dei norrøne skriftlege kjeldene om historia til sørsamane”, www.tromsfylke.no/samisk/vedlegg/Foredrag av Else Mundal.pdf)
 4)ebenda, S. 6
 5)ebenda, S. 15
 6)ebenda, S. 17
 7)„Det ligg sannsynlegvis også ei viss anerkjenning frå norsk side av samane som eit eige folk i at dei samiske hovdingane er kalle samekongar. Kjeldene nemner fleire slike. [...] Tittelen konge kan ein vanskeleg tolke på annan måte enn at den signaliserer ein viss respekt for dei samiske leiarane frå norsk side, og samstundes signaliserer tittelen at samane hadde ei særstilling innanfor det norske riket. Norske lokale hovdingar kunne i denne perioden ikkje kallast kongar, ...” ebenda, S. 20
 8)„Det bildet av nordboerne som europeerne fortsatt hadde, kann kanskje best illustreres med Ludvig Holbergs fortelling fra Rom omkring 1700: I Rom hevdet en ung piedmonteser i fullt alvor at jeg ikke kunne være nordboer. Han hadde nemlig lest i en reisebeskrivelse som han selv eide at nordboerne var vanskapte, at de hadde griseøyne og at deres munn gikk fra øre til øre. (in Lindkjølen: Nordkalotten – Oppdagelser, Ressurser, Misjon – Nordisk saga på 1700-tallet, S. 9)
 9)ebenda, S. 10
10)ebenda, S. 15
11)Dies gelte für Frauen allerdings nur, solange sie unverheiratet seien. Nach der Heirat „får de ganske snart innfalne kinn og spisse haker.” S. 18
12)ebenda, S. 26
13)Auch wenn sich Ernst Moritz Arndt oftmals bewundernd über die Samen äußert, im Vergleich zu den Schweden schneiden sie habituell schlechter ab, wie z. B. in der Beschreibung einer samischen Hochzeit, bei der auch einige Schweden anwesend waren: „Auch die gestaltlosen Lappen sprangen munter mit darein, und würden die ersten gewesen seyn, wenn ihre Bewegungen Bestimmtheit und Karakter gehabt hätten. Aber sie waren wirklich wie Hexenmeister und Gespenster unter uns, und brachten etwas Thierischwildes hinein… […] Die Normänner und Schweden dagegen tanzten wie ein Riesenvolk; wie die alten Lanzenträger des Tacitus standen sie unter diesen Zwergen, und bewegten sich in hohem Ebenmaass und mit eben der Geschmeidigkeit, als der Lapp…
Aus: Reise durch Schweden im Jahr 1804, Bd. 3, S. 235/236
14)„Die Wald- und Fischlappen scheinen phlegmatisch – melancholischen Gemüthes zu seyn, sie sind träg, starr, stumm, haben ein aufgedunsenes Gesicht und eine gelbliche Farbe, und ihr Athem stinkt wie ranziges Fischfett. Sie pflegen länger zu leben als die Fjälllappen, welche weit munterer, hurtiger, talentvoller sind, als diese.“
Aus: Reise durch Schweden im Jahr 1804, Bd. 3, S. 272
15)Ketil Zachariasson: Isak Saba, Anders Larsen og Matti Aikio – ein komparasjon av dei samiske skjønnlitterære pionerane i Norge
16) Der deutsche Titel lautet: Erzählung von dem Leben der Lappen
17)Vuokko Hirvonen: „Saamische Literatur“ in „Skandinavische Literaturgeschichte“ S. 452ff
18)”Det man ofte glemmer er at Hamsun var et barn av sin tid, at rasismen var satt i system ved bl. a. at nasjonen Norge på dette tidspunkt var rasistisk i sin lovgivning: [...] i 1902 kom en lov som sikret kun norsktalende med norske navn retten til å kjøpe jord i Finnmark...” Kristin Jernsletten: Det samiske i Markens Grøde. Erfaringer formidlet og fornektet i teksten, S. 2




Share by: